Trillion €URO
von
Andreas Eschbach (Hrsg.)

Bastei Lübbe Verlag, Science Fiction, Band 24 362
ISBN 3-404-24326-9, Juni 2004, 463 Seiten, 8,90 €

Vorbemerkung:
Im Jahre 2002 entstand die Idee eine SF-Anthologie mit den besten Autoren der Eurozone herauszugeben. Andreas Eschbach bemühte seine schriftstellerischen Kollegen und Kolleginnen um Kurzgeschichten. Was zusammenkam kann sich wirklich sehen lassen. 17 Kurzgeschichten umfasst diese Ausgabe. Vor Beginn einer jeden Geschichte wird mit ein paar einleitenden Worten auf das Schaffen und die Bedeutung des Autors/der Autorin eingegangen. Über die Wertschätzung im eigenen Land, über literarische Auszeichnungen bis hin zu den wichtigsten Werken ist etwas zu erfahren.

Zur den Handlungen:
Andreas Eschbach führt gleich zu Beginn in diese SF-Anthologie mit einer gleichnamigen Kurzgeschichte 1 Trillion €URO ein. Ein sich seit mehreren Jahrzehnten abzeichnender Klimawandel war Ursache für die globale Erwärmung. Rein von der geographischen Lage her müsste Europa ein kalter, unwirtlicher Kontinent sein. Nur dem Golfstrom allein verdankte Europa, dass es bisher nicht vom ewigen Eis bedeckt war. Durch die Erwärmung schmolzen die Polkappen. Das Polareis allerdings ist Süßwasser und damit leichter als Meerwasser. Als Ergebnis eines langen Prozesses würde der warme Golfstrom versiegen und damit Europa paradoxerweise eine neue Eiszeit bescheren.

Der Gedanke auszuwandern war naheliegend. Wo aber sollten 500 Millionen Menschen hin? Ein paar entkamen natürlich. Aber die Zurückgebliebenen versuchten sich zu arrangieren. In dieser Situation geschieht Weltbewegendes. Zum Verdruss des amerikanischen Präsidenten landete ein Raumschiff ausgerechnet in der Nähe von Straßburg. Damit nicht genug verlangen die Außerirdischen  vor das Europäische Parlament gebracht zu werden.  Hier bieten sie dem Kommissionspräsidenten einen phantastischen Plan zur Rettung Europas an. Die Lösung aller Probleme: ganz Europa solle auf dem Mond nachgebaut werden. Die Außerirdischen können mit Referenzen und einer Jahrtausende langen Erfahrung in solchen Projekten aufwarten. Natürlich ist diese Angebot nicht völlig selbstlos und sie erwarten eine nicht unbedeutende Gegenleistung ...

Auch in der zweiten Geschichte ist ein durch Klimawandel ausgelöstes, verändertes Europa Ausgangspunkt des Geschehens. Der Orkan spielt in der Übergangszeit der warmen Jahrzehnte, bevor das Klima in Kälte und Eis umschwenken wird. Jean-Marc Ligney, der zu den drei besten französischen SF-Autoren zählt, stellt die Menschen und die Liebe in den Mittelpunkt seiner Geschichte. Der Anstieg des Meeresspiegels hat den Küstenverlauf verändert. Städte und Ortschaften versanken in den Fluten oder wurden zu Inseln. Die Menschen, denen der Lebens- und Wohnraum genommen wurde, werden als Ökosylanten bezeichnet. Ihnen ist fast nichts mehr geblieben. Favelas, Armenviertel entstanden. An den bewaldeten Hügeln, wo die Reichen und Schönen ihre Villen hatten, waren jetzt Müllhalden. In einem wilden Durcheinander drängen sich Hütten, in denen die Menschen wohnen, die von der Küsten flohen. J.-Marc Ligney schildert das Schicksal der 72jährigen Elodie und ihres Mannes Stéphane, der mit Fischfang versucht ein kärgliches Überleben zu sichern. In ihrem Haus in Küstennähe haben sie Ökosylanten aufgenommen. Mit einem kleinen Boot macht Stéphane sich ahnungslos zum Fischen auf, er ahnt noch nichts von dem herannahenden Unheil...

Ein kurzer Überblick über die weiteren Beiträge:

Elia Barceló gilt in Spanien als „Grande Dame der SF“. Sie ist mit der faszinieren Geschichte Tausend Euro, ein Leben vertreten und zeigt, dass für Geld auch „ewige Jugend“ käuflich wird.

Pasi Jääskeläinen ist der beste finnische SF-Autor. Mit einer ungewöhnlichen Geschichte wartet er auf. Allein schon der Titel mag ein wenig irritieren: Spukhaus, Raketenstraße 1.

Leo Lukas, seit Jahren kein Unbekannter mehr bei den Perry-Rhodan-Lesern, ist für Österreich an den Start gegangen. Er lebt seinen schwarzen Humor in der Geschichte Chip ahoi! reichlich aus.

Jean-Claude Dunyach, ein weiterer erfolgreicher Autor aus Frankreich hat eine bitter-süße Liebesgeschichte mit dem Titel In den Gärten der Medici geschrieben.

Thanassis Vembos, möglicherweise der einzige griechische SF-Autor, hat sich der wahnsinnig gewordenen Informationsgesellschaft angenommen. Seine Geschichte Wer bezahlt den Fährmann? erzählt von einer alles verzehrenden Gier nach Daten, die einem Drogenrausch gleicht.

Pierre Bordage ist der dritte französische Autor in dieser Anthologie. Seine Geschichte Euro Zone ist eine Dystopie, ein Albtraum von der Menschheit in der Zukunft.

Michael Marrak, in der deutschen SF-Szene längst ein Begriff, zählt mit seiner absolut lesenswerten Geschichte Die Ausgesetzten zu den Höhepunkten dieser Anthologie. In einer umfangreichen Anmerkung geht M. Marrak auf Hintergründe und Entstehung seiner Geschichte ein.

Valerio Evangelisti, wahrscheinlich der bekannteste SF- und Fantasy-Autor Italiens, lässt in seiner Geschichte Flucht aus dem Brutkasten virtuelle Dämonen  aufsteigen.

Sara Doke, ist weit über Belgien hinaus bekannt. In Stammestreffen nimmt sie sich der Freiheit des Denkens in einem zukünftigen Europas an.

Markus Hammerschmitt, ein Synonym für literarisch Anspruchsvolle SF in Deutschland, hat mit seinem Beitrag Vaucansons Ente eine Mischung aus psychologischer Studie und gesellschaftlicher Beobachtung.

Eduardo Vaquerizo hat mit seiner Geschichte Der Wert des Geldes einen Beitrag aus Spanien geliefert. Seine neue Währung ist die Eurosekunde, mit ihrer ganz eigenen Bedeutung.

Alain Dartevelle liefert mit der Geschichte Die Wahrheit über Marats Tod den zweiten Beitrag aus Belgien in dem eine Zeitreise eine wichtige Rolle spielt.

César Mallorqui, ein herausragender Schriftsteller in Spanien. Seine Geschichte Die Mauer für eine Trillion EURO spielt in einer kleinen Kolonie von langlebigen Menschen.

W. J. Maryson, ist Multitalent und Schriftsteller in den Niederlanden. Maryson lässt seine Geschichte Verstummte Musik im Jahre 2443 in einer Welt der Quotierung spielen.

Wolfgang Jeschke, und niemand Geringeres schließt diesen Band ab. Seine Geschichte Das Geschmeide vermittelt den klassischen Sense of Wonder.

Anmerkung:
Leider sind nicht alle Euro-Länder in dieser Anthologie vertreten. Es fehlen Irland und Portugal. Trotzdem ist eine herausragende europäische Sammlung von Kurzgeschichten entstanden. Sehr großzügig ist die Bandbreite der Geschichten ausgelegt. Sie reicht von einem zukünftigen Europa, Über €URO , Wirtschaft bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungen. In dieser sehr gelungen Zusammenstellung ist bestimmt für jeden Leser etwas dabei. Mich haben Idee und literarische Beiträge wirklich angesprochen. Zu den wahren Höhepunkten zähle ich die Geschichten von Andreas Eschbach, Elia Barceló, Michael Marrak und Wolfgang Jeschke. Fazit: absolut Lesenswert.

1 Trillion €URO ist auch erfolgreich in Frankreich erschienen und wurde dort in Nantes auf dem Utopia-Festival mit dem französischen Phantastikpreis ausgezeichnet.

Andreas Eschbach ist ein vielseitiger und rühriger Autor. Neben seiner Tätigkeit als Bestseller-Autor gibt es weitere Seiten, die einer Würdigung wert sind. Im Januar 2005 hat er zusammen mit Klaus N. Frick als Dozent an der Bundesakademie für kulturelle Bildung ein Schreibseminar gehalten. Mit den Teilnehmern wurde der erfolgreiche Versuch unternommen innerhalb des Wochenendseminars einen SF-Roman von über 300 Seiten zu schreiben.

Darüber hinaus gibt A. Eschbach regelmäßig im Magazin „phantastisch!“ (www.phantastisch.net) in seinen Artikeln Einblicke und Hilfestellungen für angehende Autoren. Auch auf seiner Homepage (www.andreaseschbach.de) finden sich Tips, Anregungen und Links für den schriftstellerischen Nachwuchs.

Claas Wahlers