Die Reise zum Mond
von Cyrano de Bergerac

Philosophisch-phantastische Reiseerzählung
ISBN-Nr. 3-458-19125-9, Insel Verlag, 2. Auflage 1991, 128 Seiten, 9,80 EURO

Vorbemerkung:
Auf der Suche nach SF-Literatur fand ich in einem Stockholmer Antiquariat dieses Buch. Ich war mir nicht sicher, auf was ich mich da einlassen würde, aber Titel und Autor reizten mich und so erwartete ich eine phantastische Reise zum Mond, die zu einer philosophischen Reise in die Literatur wurde.

Zur Handlung:
Dem Ich-Erzähler des Romans gelingt es auf phantasievolle Weise eine Reise zum Mond anzutreten. Zuvor fasste er den Entschluss „den Menschen die Erkenntnis zu vermitteln, dass der Mond eine Weltkugel ist“. (Und dass in einem Zeitalter, als Galileo GALILEI (1564-1642) gezwungen wurde, seiner Lehre von der Bewegung der Erde um die Sonne abzuschwören.)

Die technischen Schwierigkeiten (der Roman entstand ca. 1645) waren schnell bewältigt. Mit einer Menge von Fläschchen voller Tau an sich befestigt, hob ihn die anziehende Sonnenhitze empor. Nicht ganz erfolgreich ist der Versuch und so landet C. nach seiner Reise in Neu-Frankreich (entspricht dem heutigen Gebiet von Quebec und Montreal).

Cyrano startet mittels Signalraketen und nach heutigem Verständnis abergläubischen Mitteln einen weiteren Versuch. Tatsächlich ist die Reise erfolgreich und er fühlt u. a. seine Annahme bestätigt, dass ein Planet mit geringerer Masse eine geringere Anziehungskraft hat und landet auf dem Mond.

So wähnt er sich am Ziel seiner Reise. Hier beginnen recht wundersame Erlebnisse. Er berichtet von einer Verjüngung an sich selbst („ich rückte etwa um 14 Jahre im Alter zurück“) und schildert seine Landung im Paradies auf dem Baum des Lebens.

Um den Aufbau des Planetensystems und des Weltalls zu verdeutlichen, bedient sich Cyrano folgender Erklärung: „ebenso, wie die weise Natur (...) die Kerne in den Mittelpunkt der Äpfel, die Steine mitten in die Frucht gelegt hat; und ebenso wie die Zwiebel im Schutze von hundert Schalen, die sie einhüllen, den kostbaren Keim bewahrt“, so hat „die Sonne im Mittelpunkt des Weltalls Platz genommen (...) und der Keim in der Zwiebel ist in dieser kleinen Welt die kleine Sonne“.

„Wenn der sichtbare Gott (Anm.: gemeint ist die Sonne) dem Menschen Licht spendet, so geschieht das nur zufällig, so wie die Fackel des Königs zufällig auch dem Lastenträger leuchtet, der gerade über die Straße geht.“

„Aber (...) wenn (...) die Fixsterne ebenso Sonnen sind, so könnte man von da schließen, dass die Welt unendlich ist, da es wahrscheinlich ist, dass die Völker der Weltkugeln, die um einen Fixstern herum sind (...) noch über sich andere Fixsterne entdecken, die wir von hier aus nicht zu erkennen vermögen, und dass es ewig so weitergeht.“

In seinem Werk lässt Cyrano für das damalige Verständnis ungewohntes Denken hineinfließen. Neben den technischen Beschreibungen von fortschrittlichen Entwicklungen nimmt er sich der philosophischen Betrachtung der Dinge an. Er erörtert und hinterfragt Gesellschaftsformen (Absolutismus), hierarchische Strukturen und Dogmen der Kirchen. Der Roman beinhaltet zu seiner Zeit in ungewohnter Weise politische, soziale und religiöse Fragen.

 Weiterhin berichtet er von einem Volk der Sonne, dass alle 3000 - 4000 Jahre den Körper wechselt; von wandernden Städten; von nicht körperlichen Existenzformen, die wir mit unseren Sinnen nicht wahrzunehmen imstande wären; und von einer Herrschaft der Affen, wo Menschen als Tiere ohne Intelligenz angesehen werden. Cyrano erfährt ein ähnliches Schicksal, bis es ihm gelingt, die dort gebräuchliche Sprache zu erlernen.

Er erhält von den Mondbewohnern besondere Geschenke Es handelt sich um Bücher, die man hören kann und nicht mehr lesen braucht. Recht anschaulich beschreibt Cyrano Funktionsweise und Verbreitung dieser Kostbarkeiten.

Anmerkung:
In unterschiedlicher Weise lässt Cyrano den Leser an seinen philosophischen Überlegungen teilhaben. Dies geschieht z. B. bei Überlegungen von der Natur einer Sache oder in Dialogen mit seinen Gesprächspartnern, die unterschiedliche Ansichten vertreten.

Cyrano wurde am 6. März 1619 in Paris kurz nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges geboren. In jungen Jahren gab es eine Zeit der Unrast: Eskapaden, Duelle und Abenteuer, schließlich ließ er sich bei den Soldaten rekrutieren. Nach seiner Genesung aufgrund einer schweren Verwundung, zeigte er sich interessiert an kulturellen und sozialen Fragen, die er literarisch umsetzte. Sein Werk bildet neben Campanellas „Sonnenstaat“ (1602) und Godwins „Mann im Mond“ (1638) den Grundstein für ein ganz neues Genre, nämlich das der utopischen Literatur. Cyrano verstarb 1655 im Alter von 36 Jahren.

Claas Wahlers
Überarbeitet am 11.09.2004, Stockholm